Eine Predigt über menschliche Größe und bedingungslose Liebe
Bischof Bohdan Dsjurach CSsR, Apostolischer Exarch für die Ukrainer des byzantinischen Ritus in Deutschland, dankt für die Unterstützung seines Landes und träumt vom Frieden
Aachen. Einen Tag nach den großen regionalen Demonstrationen gegen Rechtsextremismus und für Demokratie sowie kurz vor dem zweiten Jahrestag der russischen Invasion in der Ukraine hätte der diesjährige Gastprediger des Karlsfestes vom Aachener Domkapitel und Bischof Dr. Helmut Dieser nicht besser gewählt sein können: Bischof Bohdan Dzyurakh CSsR, im Februar 2021 vom Papst zum Exarchen für die Gläubigen der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche in Deutschland und Skandinavien ernannt wurde, würdigte die breite Unterstützung für sein Land und zog Parallelen zu Karl dem Großen und den Träumen von einem gemeinsamen Europa.
Aachens Bischof begrüßte Bischof Bohdan zunächst als einen „liebenswürdigen Botschafter für Frieden, Verständigung und Hilfe“, der noch nie ein Wort des Hasses, der Verbitterung oder Vergeltung geäußert habe. Auch im Aachener Dom waren es nachdenkliche und versöhnliche Worte, die von Bischof Bohdan zu vernehmen waren. In seiner Predigt ging er der Frage nach, was einen Menschen „groß“ mache.
Erinnerung an die Maidan-Toten der Revolution von 2014
Nach seiner Einschätzung und mit Blick auf Karl den Großen, der auch „der erste große Europäer“ genannt werde, beruhe menschliche Größe nicht auf persönlichen Begabungen oder territorialen Errungenschaften, sondern auf der Größe des Geistes, die jede menschliche Schwäche, jedes Versagen und alle Verfehlungen übersteige, weil sie letztlich die Größe Gottes widerspiegele und erfahrbar mache. Gottes Gesetze zu befolgen und ihn mit dem Leben und Tod zu bekennen – das mache die echte Größe eines jeden gläubigen Menschen aus und lasse ihn zu einem Wegweiser für die Anderen werden. Als Beispiele führte er weitere Heilige der Kirchengeschichte an, die als „europäische Schutzpatrone“ gewirkt und sich für Versöhnung und Verständigung eingesetzt hätten.
Vor einigen Jahren habe das damalige Oberhaupt seiner Kirche, der verstorbene Kardinal Lubomyr Husar, bei einem Vortrag in Brüssel vor europäischen Politikern gefragt, ob sie bereit seien, für Europa zu sterben. Die Antwort darauf sei tiefe Stille gewesen. In diesem Zusammenhang erinnerte der Bischof an die mehr als 100 Aktivistinnen und Aktivisten, die während der „Revolution der Würde“ in Kiew im Februar 2014 als vermutlich erste Menschen in der europäischen Geschichte unter der Fahne der Europäischen Union gestorben seien.
„Ihre einzige ‚Schuld‘ bestand darin, den Traum von Europa zu ihrem eigenen gemacht zu haben.“ Und auch jetzt, so der Geistliche, versuche ein „erbarmungsloser Diktator“, diesen Traum zunichte zu machen. „Dies wird ihm aber nicht gelingen, solange die Ukraine steht, kämpft und betet.“ Und so lange dies der Fall sei, könnten die Menschen in den anderen Ländern Europas in Frieden und Sicherheit leben.
Dank für die Solidarität und Unterstützung Europas
Dies bedeute jedoch nicht, dass die Menschen in Europa die Ukraine im Stich gelassen hätten. Das Gegenteil sei der Fall! „Europa steht mitfühlend und solidarisch an unserer Seite, ringt mit uns um Frieden. (…) Es ist wohltuend zu wissen und zu erfahren, dass man inmitten der Prüfungen und des Leidens nicht alleine ist, dass es so viele Menschen europa- und weltweit gibt, die an uns denken, uns unterstützten und für uns beten!“
Diese Solidarität stärke auch diejenigen, die aktuell als Verteidiger der Ukraine ihr Leben riskierten und in dieser Opferbereitschaft ihre echte Größe offenbarten. Vor ihrer Liebe und Hingabe müsse man die Knie beugen. „Lassen wir uns von dieser Liebe inspirieren und führen, weil nur mit einer solchen Liebe die Verheißung eines nachhaltigen Friedens und barmherziger Gerechtigkeit verbunden ist!“ Mit der Betonung der persönlichen Verantwortlichkeit jedes Einzelnen vor Gott leitete der Bischof den Schlussappell seiner Predigt ein. Niemand solle sagen, dass von ihm nichts abhänge, denn jeder sei fähig, große Taten zu vollbringen. „Mögen unsere Taten für den Aufbau eines neuen Europa geeignet und hilfreich sein!“