Predigt zur Beisetzung von Hans-Günther Vienken
Die Emmaus-Geschichte, die wir gerade gehört haben, war eine Lieblingsstelle aus der Bibel für Hans-Günther Vienken. Direkt war allen Beteiligten in der Vorbereitung des heutigen Gottesdienstes klar, dass diese Ostererzählung das Evangelium des heutigen Abschiedsgottesdienstes sein soll. Das Bild von Emmaus ist auch auf dem Gedenkzettel abgedruckt, den Sie erhalten haben. Es ist nicht irgendein Emmaus-Bild, sondern das, was die Ministranten Hans-Günther Vienken zu seinem goldenen Priesterjubiläum geschenkt haben. Das Bild von Hubert Spierling hing in seinem Arbeitszimmer. Täglich konnte er diese Ostererfahrung betrachten.
Der Auferstandene, der Christus, der sich oft unerkannt bei den Menschen zeigt, war eines der zentralen Glaubensgeheimnisse von Hans-Günther Vienken. Sein Leben und seine Engagement war so eine vielfältige, unverwechselbare Antwort auf Christus, auf den dreieinigen Gott, auf die Liebe des Vaters, die sich in Jesus Christus, seinem Leben und seiner Auferstehung zeigen und im Heiligen Geist, der in und zwischen uns lebendig ist. Man könnte daher als Überschrift über das Leben von Hans-Günther Vienken setzen: Antwort geben – Antwort sein. Antwort geben auf diese Berufung des Menschen durch den Gott, der unter uns lebt und dessen Auferstehung erfahrbar ist.
Diese theologische Linie fand er in einer Nähe zu den Fokolarini und in früherer Zeit insbesondere in seinem Kontakt zu Bischof Klaus Hemmerle wieder. Unser früherer Bischof war für ihn ein wichtiger Impulsgeber und Ratgeber. Hans-Günther formulierte eine solche Theologie jedoch auch immer alltagstauglich: Der liebe Gott tut nichts als fügen.
Wenn wir heute auf diesen Menschen Hans-Günther Vienken, seinen Glauben und sein Leben dankbar schauen, dann fallen uns viele Bilder, Zitate, Beschreibungen und Begegnungen mit ihm ein. Denn er stand in einem großen Netzwerk von Menschen, die er als Christ und Priester, als Seelsorger und Verantwortlicher hier im Dom geprägt hat.
Insbesondere die jungen Menschen waren ihm ein Herzensanliegen.
Das fing bei den Kinder in der Domsingschule an, u. a. mit dem Projekt des Theologiesierens im Aachener Dom. Das ging über seine Tätigkeit als Religionslehrer und Schulseelsorger im Bischöflichen Pius-Gymnasium weiter. Es zeigte sich in den Jahren der Berufungspastoral, in seinen Kontakten zum KKG (Kaiser-Karl-Gymnasium) und nicht zuletzt an der Arbeit hier im Dom, mit unzähligen Ministranten, wovon einige auch sicherlich wegen ihm ihren Dienst verrichteten. Heute ist auch eine Reihe Ehemaliger zu diesem Gottesdienst gekommen.
Hans-Günther Vienken hatte ein Herz für junge Menschen. Und trotz seines Alters war er, so habe ich es ihm vor einiger Zeit noch einmal gesagt, ein Jugendseelsorger geblieben. Wie viele Unterrichtsstunden, Ferienfreizeiten, Besinnungstage auf der Wildenburg, Firmvorbereitungen, Wallfahrten des PWB, Schulmessen, Gespräche, Gottesdienste er mit Kindern und Jugendlichen gestaltet hat? Unzählbar. Und daraus ist ein Netzwerk entstanden, das ihn hielt und bei denen er viele hielt. Denn aus Erfahrungen in der Schule, am Dom wurden Anfragen für Trauungen und Taufen. Unzählbar. Dazu gehörten für ihn auch Rituale der Treffen, wie zum Beispiel das Essen am Gründonnerstag mit den Ministranten oder auch der Malteser. Netzwerke, die gehalten haben und die auch spürbar waren in den letzten Stunden seines irdischen Lebens, wo er, obwohl diese Stunde sehr plötzlich kam, eng begleitet wurde von seiner Schwester und Menschen, denen er verbunden war.
Hans-Günther Vienken war immer im Dom und für den Dom, so hat es die Aachener Zeitung in dieser Woche getitelt. Gefühlt war er sein ganzes Leben lang am Dom, von den Zahlen her fast ein halbes Jahrhundert. Er war im Dom, am Dom, für den Dom und um den Dom herum. Das gehörte für ihn zusammen: Der Dom, seine Wohnung auf dem Domhof, Essen und Treffen im Wehrhaften Schmied, seine Präsenz bei Gottesdiensten in der Domsingschule, bei Konzerten und Veranstaltungen und bei manchen Gesprächen auf dem Domhof. Zu diesem Umfeld gehörten auch seine ökumenischen Kontakte, personalisiert mit den Nachbarn der griechisch-orthodoxen Gemeinde, mit Bischof Evmenios und mit der Annakirche und Pfarrer Armin Drack.
Das war seine Welt – als Mensch und als Seelsorger. Hans-Günther Vienken gehörte dabei nicht zu den Vertretern, die das Ende der Kirche tränenreich sah. Er war hoffnungsvoll, voller Energie, lebensfroh und freudig. Er stand mitten im Leben, im Alltag, auch wenn es am Ende schwerer wurde. Aber auch in den letzten Jahren, wo er kräftemäßig nachließ, hat er mit großer Leidenschaft in der Bußpastoral noch im Dom weitergearbeitet. Er hat regelmäßig etwa die Hälfte der wöchentlichen Beichtzeiten übernommen. Auch werden die Elisabethinnen ihn sehr vermissen, wo er regelmäßig in den vergangenen Jahren die Heilige Messe gefeiert hat. Und er trug bei den Gottesdiensten zur herzlichen Atmosphäre bei.
Im Dom war ihm natürlich die Liturgie sehr wichtig. Zum einen ein verlässlicher Ablauf und eine gut abgestimmte Liturgie in den Gottesdiensten, zum anderen aber auch eine dazu notwendige und stimmige gute Dommusik. Deshalb stand er auch im regen Austausch mit den Verantwortlichen der Dommusik mit den verschiedenen Chören und nicht zuletzt auch mit der Domsingschule. Er hat die liturgischen Dienste über Jahre aufgebaut und begleitet: Neben seinen heißgeliebten Ministranten, die Lektorinnen und Lektoren, die Kommunionspenderinnen und -spender und der Kontakt zum Ehrendienst sowie zu den sonstigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hier am Dom.
Wichtig war ihm auch, dass alles stimmte. Von den richtigen Glocken, die eingeschaltet sein mussten über die Kerzen, die am richtigen Platz stehen mussten, bis hin zu den liturgischen Gewändern. Seine Meisterstücke – wenn ich den Begriff nehmen darf – hat er innerlich mit den Heiligtumsfahrten gehabt, von denen er vier in verantwortungsvoller Position als Wallfahrtsleiter mitgestaltete. Dann lief er zur Hochform auf, wenn er diese Wallfahrten einordnen konnte in die jahrhundertelange Tradition der Pilgerinnen und Pilger zum Dom.
Wer ihn nicht kannte, könnte denken, dass er ein Rubrizist war. Ich würde ihn jedoch nicht so bezeichnen, denn für ihn stand immer im Mittelpunkt der Liturgie, die Aussage über die Feier der Gottesdienstgemeinden hier und die Erfahrung mit dem lebendigen Gott. Diese würdige Liturgie zu ermöglichen, das gehörte für Hans-Günther Vienken zur Lebendigkeit im Dom. Das Bild des Himmlischen Jerusalems, das zu Beginn genannt wurde, das wir in der Lesung gehört haben, war für ihn der hoffnungsvolle Blick darauf, dass wir alle einmal in Gottes neuer Stadt leben werden. Dies hat er in ebenfalls unzähligen Domführungen gerade auch hier wieder jungen Menschen erläutert. Das war für ihn die geistliche Aussage dieses Bauwerks, das er deshalb auch so liebte.
Und im inhaltlichen Zentrum des Doms, die Feier des Brotbrechens, wie damals in Emmaus, bis heute, daraus hat er Kraft geschöpft. Das Mahl, das Gemeinschaft fördert, mit diesem Bild konnte er seinen Dienst inhaltlich bereichern. Er genoss daneben auch die Mahlzeiten und wird sich sicherlich freuen, wenn nachher viel von Ihnen zum Imbiss zusammenkommen.
In der Neuen Stadt lebt Hans-Günther Vienken nun bei Gott in der Vollendung seines irdischen Engagements. Und ich bin mir sicher, dass er im Himmlischen Jerusalem zusammen mit seinem Bruder Ewald sitzt und zu Klaus Hemmerle sagt: Schau mal, das habe ich mit aufgebaut: eine würdige Liturgie mit Ministrantinnen und Ministranten, die schwarze Schuhe tragen, und eine ausgezeichnete Dommusik. Und Norbert Grzeschik hat die richtigen Gewänder rausgelegt. Und ich hoffe, dass er nicht zu kritisch auf mich als Hauptzelebranten schaut, ob ich auch heute alles richtig mache.
Lieber Hans-Günther, viele Menschen, die heute hier sind, haben dir viel zu verdanken. Und deshalb wollen wir in deinem Sinne nun Danksagung feiern, Eucharistie mit dem Gott, der mit uns unsere Wege geht, auch wenn wir ihn nicht immer entdecken, in dessen Nähe wir dich nun wissen, denn der liebe Gott tut nichts als fügen.
Rolf-Peter Cremer, Dompropst