Ein Plädoyer für die Ökumene
Antwerpens Bischof Johann Bonny sprach sich in seiner Predigt für eine neue Art von christlicher Einheit und Zusammenarbeit in Europa aus
Brausende Orgelklänge, dichte Weihrauchschwaden, kunsthistorische Schätze im Kerzenschein, ein konzertantes Musikprogramm und eine kurzweilige, politische Predigt – das waren die gelungenen Zutaten des Pontifikalamts zum Karlsfest 2025. Mehrere hundert Besucherinnen und Besucher tauchten ein in ein zweistündiges Programm, das prall gefüllt war mit mittelalterlicher und musikalischer Liturgie. Als diesjähriger Gastbischof war Prof. Dr. Johann Bonny aus Antwerpen eingeladen.
In seiner Predigt ging Bonny der Frage nach, inwiefern das Wirken Karls des Großen bis heute von Bedeutung ist und ob sich daraus Parallelen zur aktuellen Weltpolitik ableiten lassen. Zunächst startete er mit dem Verweis auf die Karel de Grote Hogeschool, eine der größten katholischen Bildungseinrichtungen in Stadt und Region Antwerpen. Erst vor 30 Jahren hätten sich die Gründer der Hochschule aus drei Gründen für diesen Namen entschieden:
- Karl der Große spielte eine herausragende Rolle bei der Entwicklung Europas.
- Er legte die Grundlagen für ein neues Schulsystem in Europa.
- Er verband Europa mit dem christlichen Glauben.
Ungeachtet aller heutigen Kritik an seiner Rolle als Herrscher, der vor Gewalt nicht zurückschreckte und sein Privatleben alles andere als „heilig“ gestaltete, sei unbestreitbar, dass Karl die politische, kulturelle, wirtschaftliche und religiöse Geschichte Europas entscheidend geprägt habe. „Und darauf dürfen wir unsere Zeitgenossen auch weiterhin aufmerksam machen. Denn in jedem der drei genannten Handlungsfelder bleiben die Herausforderungen groß: Europa, Bildung und der christliche Glaube“, sagte Bonny.
Europa als „zerbrechliches Projekt“
Mit Verweis auf die Geschichte führte er aus, wie zerbrechlich das „Projekt Europa“ war und ist: Gegenseitige Rivalitäten zwischen Völkern und Ländern, gepaart mit schlechter Führung, hätten nach Karls Tod zum raschen Zerfall des europäischen Reiches geführt. Heute, so diagnostizierte Antwerpens Bischof, befinde sich Europa erneut in einer schwachen Position. „Die Sprache, die der neue Präsident von Amerika gegenüber Europa verwendet, zeugt von wenig Verständnis oder Wertschätzung. Sein Stil erinnert eher an Attila, den Hunnenkönig, als an den Karls des Großen!“ Gleichzeitig leide Europa weiterhin unter gegenseitigen Rivalitäten zwischen Ländern und Völkern.
Eine kleine Minderheit könne die große Mehrheit ausbremsen. Diesen Umstand führte Bonny auch auf den mangelnden Zusammenhalt auf religiöser und ethischer Ebene zurück. „Dass alle Menschen Kinder desselben Vaters sind, gleichberechtigte Bewohner dieser Erde, ausgestattet mit denselben Rechten und Pflichten, berufen zu gegenseitiger Solidarität und Unterstützung: das bleibt die erste Wahrheit, die das Christentum zu allen Zeiten verkünden muss. So wie es Bischöfin Mariann Budde Anfang dieser Woche in der Kathedrale von Washington getan hat, mutig und entschlossen!“
Das europäische Projekt beruhe auf wechselseitigem Respekt und konstruktivem Dialog. Für Christen bedeute dies, an ihrer Einheit zu arbeiten. „Wer an die Ökumene glaubt, glaubt meist auch an Europa; wer nicht an die Ökumene glaubt, glaubt meist nicht an Europa. Europa und die Ökumene sind kommunizierende Gefäße, sie gehen gemeinsam auf und ab.“
Solange Europa nicht auf das gemeinsame Zeugnis und Engagement aller christlichen Kirchen zählen könne, werde es ein fehlerhaftes Konstrukt bleiben. Die europäischen Kirchen müssten es daher wagen, nicht nur ihre gegenseitigen Unterschiede, sondern auch ihre internen Diskussionen zu überwinden. „Sie sollen es wagen, sich an die Spitze einer neuen Art von christlicher Einheit und Zusammenarbeit zu stellen, hier in Europa!“
Die vollständige Predigt zum Nachlesen:
https://www.aachenerdom.de/wp-content/uploads/2025/01/Predigt-zum-Karlsfest.pdf
Eine Zusammenfassung in Bildern
Fotos: Domkapitel Aachen / Andreas Steindl